Vergangenheit

Bei manchen Eltern kommen durch ihre Kinder Erinnerungen an ihre eigene Vergangenheit hoch. Man muss erstmal lernen damit umzugehen.

Philipp (16): „Familientreffen finde ich klasse! Da kommen die Brüder von meinem Stiefvater oft mit Geschichten, die er uns natürlich nie erzählt hat. Da spitzen alle am Tisch die Ohren.“

Lukas ist der Sohn meines Stiefvaters. Gemeinsam mit ihm und seiner Schwester Lara wohnen wir jetzt zusammen. Ihr Vater ist der neue Mann meiner Mutter. Generell kommen wir alle gut miteinander aus.

Es ist Weihnachten und an Weihnachten treffen wir uns immer mit der ganzen Familie. Lukas und Lara erzählten mir, dass sie ihre Großeltern erst seit kurzem richtig „kennengelernt“ hätten, da ihr Vater nie wollte, dass die Kontakt miteinander hätten, keine Ahnung warum.

Umso cooler, dass wir jetzt immer alle zusammen feiern, wenn es was gibt. Am krassesten sind dann immer die Stories, die die Brüder von meinem Stiefvater zum Besten geben. Zum Beispiel, dass er mit 16 schon von zuhause abgehauen ist, weil er voll das Problemkind gewesen ist und immer mit seinem Vater sich gezofft hat.

Herr M. (46): Die Beziehung zu meinen Eltern war Jahre lang ziemlich schwierig. Ich musste erst auf Abstand gehen, um einen einigermaßen guten Kontakt zu ihnen aufzubauen. So können meine Söhne jetzt regelmäßig ihre Großeltern sehen. Sie wissen, dass unser Verhältnis angespannt war, aber sie spüren auch, dass ich die Dinge auseinanderhalten kann. Die neue Generation hat mit den alten Kamellen nichts zu tun.“

Früher waren wir zu 3 Kindern zuhause. Unser Vater beschaffte das Geld, um die Familie zu versorgen, unsere Mutter schmiss den Haushalt. Es war nicht immer friedlich. Vater kam oft sehr gestresst nach Hause, meist mussten wir Kinder oder Mutter dann seinen Frust ertragen. Je nachdem wurde er auch handgreiflich uns gegenüber oder Mutter fing sich eine ein. Ich als Ältester habe dann irgendwann die „Beschützerrolle“ eingenommen und versuchte meine Mutter und meine Brüder zu schützen. Mit 16 bin ich dann von zuhause abgehauen, da ich es nicht mehr ausgehalten habe. Oft habe ich mit Gewissensbissen zu tun gehabt, meine Brüder und meine Mutter im Stich gelassen zu haben, ärgerte mich aber auch, dass meine Mutter nicht wach wurde und sich von meinem Vater trennte.

Meine erste Ehe ging in die Brüche, bis ich meine jetzige Frau, meine große Liebe, kennenlernte. Wir bildeten mit meinen beiden Kindern und ihrem Sohn eine Patchwork Familie.

Durch die Kontaktknappheit zu meiner Familie konnte ich über die Jahre gut Abstand gewinnen und meine Kindheit/ Jugend in einem anderen Licht betrachten. Zunächst lehnte ich den Kontakt bewusst ab, wollte auch nicht, dass meine Eltern ihre Enkelkinder kennenlernten. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich aber auch Probleme in meiner ersten Ehe und wollte mir keine zusätzlichen aufbrummen.

Irgendwann kam der Punkt, dass ich mich bereit fühlte das Erlebte mit meinen Eltern zu thematisieren. Wirklich einsichtig schienen sie nicht gewesen zu sein, hatten ihre persönlichen „Ausreden“ für das Geschehene, jedoch war das Gespräch an sich recht gut, da jeder in gewisser Weise den Standpunkt des Anderen zumindest nachvollziehen konnte. Seitdem haben wir wieder langsam Kontakt aufgebaut und ich habe für mich verstanden, dass meine Kinder nicht dasselbe erleben müssen bei ihren Großeltern wie ich mit ihnen als Eltern.

Erkennen Sie sich wieder? Haben Sie ähnliche Situationen erlebt?

 

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